Das Fabrikmuseum

OTT-PAUSERSCHE FABRIK , errichtet 1844–1845, Aufnahme von 2020. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Elias Blumenzwerg.
OTT-PAUSERSCHE FABRIK , errichtet 1844–1845, Aufnahme von 2020. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Elias Blumenzwerg.

Das Silberwarenmuseum Ott-Pausersche Fabrik, 1845 errichtet und 1986 als erhaltenswertes Kulturdenkmal in das Denkmalbuch Baden-Württemberg eingetragen, ist das älteste noch erhaltene Fabrikgebäude in Schwäbisch Gmünd.

Und, was ebenfalls einmalig ist – nur noch die Ott-Pausersche Fabrik repräsentiert heute einen zentralen und traditionsreichen Gewerbezweig Gmünds, der seit dem Mittelalter florierte und bis in die Gegenwart hinein ablesbar ist: das Gold- und Silberschmiedegewerbe.

OTT-PAUSERSCHE FABRIK , errichtet 1844–1845, Aufnahme von 2020. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Elias Blumenzwerg.

Die Anfänge der Fabrik

Die Ottsche Farbik 1856, Gouache, Sammlungen Museum im Prediger. Hinter dem Farbikgebäude istein Teil der im Jahr zuvor errichteten formeneigenen Gasfabrik zu erkennen.Bild: Museum im Prediger

Begonnen hatte es im Jahr 1820: Gemeinsam mit seiner Tochter eröffnete Nikolaus Ott eine Goldschmiedewerkstatt in Schwäbisch Gmünd. Kein ungewöhnlicher Vorgang in einer Stadt, in der das Goldschmiedehandwerk eine lange Tradition besaß. Ungewöhnlich war aber die hohe Zahl von Angestellten, die er hier beschäftigte: Es waren zwölf. Nach den alten, reichsstädtischen Zunftgesetzen hätte sich kein Meister erlauben können, in seiner Werkstatt mehr als drei Gesellen zu beschäftigen.

Aber die alten Zeiten waren vorbei und vieles in Gmünd war im Umbruch: Noch im 18. Jahrhundert hatte die Stadt floriert. Das Geschäft mit Gold- und Silberwaren hatte vielen Wohlstand gebracht. Aber dann hatten die napoleonischen Kriege den Absatzmarkt im Ausland zerstört und sich die Pforzheimer Bijouteriefabriken zu einer ernsthaften Konkurrenz entwickelt. Ott und einige andere sahen in der industriellen Produktion von Bijouterien eine Zukunft für ihr Gewerbe. Dies allerdings widersprach den alten Zunftgesetzen, die dafür sorgten, dass niemand auf Kosten der anderen expandieren konnte. Auch in der maschinellen Produktion sahen die Zünfte eine Gefahr. Gegen den Widerstand der Zünfte erließ die württembergische Regierung Regierung 1828 ein neues Gewerbegesetz. Einer der ersten, die davon profitierten, war Nicolaus Ott. 1845 ließ er ein neues Fabrikgebäude errichten und gründete die Firma "Nicolaus Ott und Compagnons".

Die Ottsche Farbik 1856, Gouache, Sammlungen Museum im Prediger. Hinter dem Farbikgebäude istein Teil der im Jahr zuvor errichteten formeneigenen Gasfabrik zu erkennen.Bild: Museum im Prediger

Florierendes Unternehmen mit weltweitem Warenumsatz

Guillocheurin bei der Arbeit

Schnell entwickelte sich der Betrieb zu einem florierenden Unternehmen und für einige Zeit sogar zum größten Steuerzahler in der Region. Ein Großteil der Waren ging ins Ausland. Allein nach Kuba wurden jährlich Bijouterien im Wert von 200.000 Gulden exportiert. Zwischen 1851 und 1873 gewinnt das Unternehmen Medaillen auf den großen Weltausstellungen in London, München, Paris und Wien.

Anfang der 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts erlebte die Fabrik ihren Höhepunkt. Inzwischen wurde sie vom Neffen des Gründers Johann Baptist Ott geleitet. Das Betriebsgelände war erweitert worden, und seit 1855 gab es hier eine hochmoderne Anlage, die aus Holz Gas erzeugte. Es war das erste Gaswerk der Stadt Gmünd und erwies sich als besonders einnahmeträchtig. Denn das überschüssige Gas ließ sich verkaufen.

Guillocheurin bei der Arbeit

Krisenjahre und Ende

Kerzenleuchter aus dem Produktkalog der Fa. J. Pauser. Bild: Museum im Prediger

1862 begann der wirtschaftliche Niedergang: Die Stadt hatte ein eigenes Gaswerk gebaut und brauchte das Gas von Ott & Cie. nicht mehr. Ein finanzielles Desaster. 1873 stürzte der Wiener Börsenkrach die europäische Wirtschaft in eine schwere Krise.

In den 90er Jahren ging es für viele Gmünder Betriebe wieder aufwärts, doch Otts Fabrik hatte ihren Zenit längst überschritten. 1928 wurde sie an Josef Pauser verkauft. Pauser stellte die Produktpalette um und produzierte jetzt weniger Schmuck, als vielmehr Gebrauchswaren: Salzdosen, Babyrasseln, Becher, Besteck und Zigarettenspitzen. Um Geld zu sparen, verringerte er die Belegschaft immer weiter. Schließlich musste die Familie Pauser sogar in das Fabrikgebäude einziehen. Allerdings nützten diese Maßnahmen nicht viel. Der Betrieb kämpfte gegen den Bankrott.

Der letzte Besitzer der Fabrik, Emil Pauser, war ein Bewahrer. Er ließ lieber zu, dass der Betrieb in seinem alten Bestand stagnierte, als dass er notwendige Modernisierungsmaßnahmen traf. Alles sollte an seinem Platz bleiben. Eine Einstellung, die sich zwar für die Firma als ruinös erwies, doch für das heutige Museum ein Glücksfall war.

Das heutige Museum

Seit 1992 museal genutzt, vereint das Kulturdenkmal Silberwarenfabrik Ott-Pauser in einzigartiger Weise Historisches mit Gegenwärtigem – eine authentische, in allen wesentlichen Teilen im Original erhaltene Fabrikanlage zum einen, mit wechselnden Präsentation von Schmuck, Kunsthandwerk und Musterbüchern zum anderen.

Im Silberwarenmuseum Ott-Pauser kann der Besucher nacherleben, wie ein Gmünder Gold- und ­Silberarbeiter in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gearbeitet hat. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass die Fabrikationsanlagen in allen wesentlichen Teilen noch heute bestehen. Zu sehen sind Friktionsspindelpressen, Drahtziehbänke, Fall- und Krafthämmer und Walzwerke, die über eine Transmissionsanlage von einem großen Gasmotor angetrieben wurden. Ein solcher Gasmotor ist in ­einem Nebengebäude der Fabrik zu besich­tigen; der Motor konnte im Jahr 2000 nach einer umfangreichen Restaurierung wiederaufgebaut werden.

Daneben geben Arbeitstische mit Werkzeugen, Geräten und ­Maschinen Auskunft darüber, wie Schmuckstücke und Silberwaren ziseliert, graviert, montiert und poliert wurden. Eingerichtet wurden auch die Werkstätten eines Goldschmieds, eines Etuimachers und eines Guillocheurs.

Aber nicht nur die Produktion charakterisiert die Silberwarenfabrik Ott-Pauser. Das Comptoir mit der kompletten Büroeinrichtung, mit Büchern, Telefon, Rechen- und Schreibmaschine, ist noch so anzutreffen, als habe es der Chef gerade verlassen.

Kerzenleuchter aus dem Produktkalog der Fa. J. Pauser. Bild: Museum im Prediger
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